News

Big Data flying soon

Die smarte Flugzeugkabine der Zukunft hebt das Reiseerlebnis auf ein neues Level: Schnelles W-Lan zum Streamen der Lieblingsserie auf dem eigenen Device, smarte Beleuchtung für mehr Wohlbefinden und weniger Jetlag sowie individuelle Temperaturregelung am eigenen Sitzplatz sorgen für persönlich gestalteten Komfort in der Flugzeugkabine. Weitere Cabin-Services können zudem über das eigene Smartphone gebucht werden, so dass Getränke und Wunsch-Mahlzeiten termingerecht an den Platz geliefert werden. Damit die Vision zeitnah Realität werden kann, müssen die hierfür technischen Lösungen jedoch noch ein Nadelöhr passieren: die Integration in das Kabinennetzwerk. Problem: Stand heute bestehen Kabinennetzwerke aus mehreren voneinander isolierten Einzelnetzwerken. Welche zum einen untereinander nicht kompatibel sind zum anderen schon jetzt das zulässige Gewicht im Flugzeug ausreizen. Wie können Flugpassagiere dennoch zeitnah in den Genuss smarter Flugzeugkabinen kommen? Im Forschungsprojekts DELIA entwickelte die ZAL GmbH gemeinsam mit Partnern eine vielversprechende Lösung. 

 Smart Cabin nur im Verbund realisierbar

Eine smarte Flugzeugkabine bietet Nutzern und Betreibern gleichermaßen Vorteile. Während die Passagiere einen individualisierbaren Komfort genießen können, dürfen Airlines und Cabin Crew von einer Unterstützung bei den Routineaufgaben profitieren – bspw. durch eine automatisierte Informationsübermittlung zu vollen und freien Over-Head-Bins oder zu belegten Sitzplätzen in Kombination mit korrekt angeschnallten Sitzgurten.

Doch die Herausforderungen zur Umsetzung smarter Kabinen sind groß. So stammt die heutige Bordelektronik in Flugzeugen oft von verschiedenen Zulieferern und nutzt unterschiedliche Schnittstellen oder Programmiersprachen. Diese sind oftmals proprietär, also geheim oder urheberrechtlich geschützt. Entwickler:innen anderer Firmen haben somit keine Möglichkeit an die bestehenden Systeme anzuknüpfen und deren Funktionen zu erweitern. Dies hat zur Folge, dass jedes neue Gerät mit eigenen Datenkabeln, Stromversorgung und Endgeräten angeschlossen werden muss. Im Umkehrschluss bedeutet dies für den Flugbetrieb mehr Gewicht, mehr Treibstoffverbrauch und höhere Emissionen. Darüber hinaus steigt mit jedem Gerät die Komplexität für Wartung und etwaige Reparaturen.

Die Gründe für diese Ausgangssituation sind vielfältig. Sie resultieren aus unterschiedlichen Interessen und Arbeitsweisen von Herstellern, Zulieferern und Airlines. Will man hieran etwas ändern, wird schnell klar, dass sich die Vision einer smarten Kabine nur gemeinsam umsetzen lässt. Vor diesem Hintergrund initiierte die ZAL GmbH ein Projektteam basierend auf Akteuren aus Wissenschaft und Industrie. Der hier entstehende Dialog ermöglicht es, industrielle Anforderungen zu definieren und wissenschaftlich-technischen Lösungen zu entwickeln, die leistungsstark und anpassungsfähig zugleich sind, um weitere Anwendungen zu integrieren. Das Forschungsprojekt startete 2019 unter dem Namen DELIA und wurde 2022 erfolgreich abgeschlossen.

Die Entwicklung des DELIA-Moduls  

Eine Kernfrage des Forscherteams war, ob und wie man ein Kabinennetzwerk mit weniger Komponenten ausstatten, aber mehr Leistung erreichen kann. Die Projektpartner Solectrix und AED entwickelten hierfür eine Lösung. Unter dem Namen „DELIA-Modul“ realisierten sie eine vielseitige Hardware-Plattform, auf der beliebige Programme, wie Lichtsteuerung, Inflight-Entertainment oder Kabinenklimatisierung ausgeführt werden können. Die Lösung sieht vor, dass in der Kabine mehrere Module eingesetzt werden, die an verschiedenen Stellen platziert sind. Dieser Aufbau entspricht einem sogenannten „verteilten System“. Verteilte Systeme haben den Vorteil, dass Aufgaben von mehreren Geräten erledigt werden können. Rechenlasten können somit dynamisch verteilt werden. Der Clou: wird mehr Rechenpower benötigt, können problemlos weitere Module nachgerüstet werden. Gerade in Kombination entfalten die DELIA-Module ihr Potential. Dafür sind sie durch leistungsfähige Glasfaserkabel verbunden, die Datenraten bis zu 10 Gbit/s erlauben. Als Vergleich: Durch den Einsatz eines einzigen Kabels könnte das System bis zu tausend Haushalten gleichzeitig Zugriff auf Streamingdienste ermöglichen. Ideale Voraussetzung für den Einsatz in der Flugzeugkabine.

Alleskönner im Kabinennetzwerk

Die Verarbeitung großer Datenmengen allein reicht für den Einsatz über den Wolken jedoch noch nicht aus. Ein weiteres essenzielles Leistungskriterium zukünftiger Kabinenlösungen ist ihre Sicherheit. Übertragungsausfälle müssen vermieden werden und die Ausführung wichtiger Funktionen sichergestellt sein. Um Übertragungswege gegen Störungen abzusichern, sind alle DELIA-Module in einem ringförmigen Netzwerk angeordnet, auch als Ringtopologie bekannt. Hierdurch wird sichergestellt, dass jedes Modul mit zwei anderen Modulen in Kontakt ist. Wird ein Pfad unterbrochen, können die Daten über den zweiten Pfad zuverlässig weitergesendet werden. Fällt das DELIA-Modul selbst aus, übernehmen andere Module dessen Aufgaben. Die DELIA-Module vereinen damit Prozessor- und Netzwerkeigenschaften.

StVO im Netzwerk

Eine weitere Entwicklung zur Absicherung der Kabinennetzwerke ist das sogenannte TSN, Time Sensitive Networking — ein Sammelbegriff für verschiedene Technologien, die den Datenfluss in Echtzeit regeln. So wird sichergestellt, dass bestimmte Daten jederzeit, vollständig und ohne Verzögerung ihr Ziel erreichen, unabhängig davon, ob gerade alle Passagiere gleichzeitig einen Film ansehen oder ein Kabel beschädigt ist. TSN funktioniert wie ein Verkehrspolizist.  So werden mit Hilfe von TSN bspw. unwichtigere Daten zurückgehalten, um eine Datenspur freizumachen oder es wird eine Umleitung eingerichtet, falls der Weg blockiert ist (TSN-Switch). Damit ist nicht nur garantiert, dass die Daten vollständig ankommen, sondern auch in welchem Zeitintervall. Bei TSN ist man hier im Mikrosekundenbereich.

Dass die TSN-Technologie funktioniert, testeten die Ingenieur:innen der ZAL GmbH erfolgreich am eigenen Kabinendemonstrator. Um die Echtzeitfähigkeit von TSN-Switches am Beispiel der Beleuchtungssteuerung zu überprüfen, wurde im laufenden Betrieb das Endgerät der Lichtsteuerung entfernt. Als Reaktion schalteten die TSN-Switche den Datenverkehr auf eine funktionierende Lichtsteuerung um. Um parallel eine starke Auslastung zu simulieren, wurde das Netzwerk mit Steuerungsbefehlen geflutet.  Die Netzwerkarchitektur hielt den Anforderungen Stand und es kam zu keinen Störungen oder Ausfällen. Die LED-Laufleisten und Kabinenbeleuchtung wurden nicht beeinträchtigt.

ZAL Endpoint verbindet Geräte mit dem Netzwerk

Während die DELIA-Module Informationen verarbeiten und weiterleiten, muss ein anderes System die Befehle ausführen. Die ZAL GmbH hat dafür den ZAL Endpoint entwickelt — eine vielseitige Elektronikkomponente, die mit den gängigsten Schnittstellen im Flugzeug kompatibel ist. Ein ZAL Endpoint steuert dann beispielsweise das Platzlicht, die Passenger-Service-Unit oder speist Daten eines Sensors wieder ins Netzwerk. Mehrere Endpoints schicken ihre Daten dann an ein DELIA Modul.

Wie geht es weiter?

Das Forschungsprojekt DELIA zeigt das Potential von verteilten Systemen, um die Vision der vernetzten und smarten Kabinen zu realisieren. Durch TSN-Technologien muss bei der Zuverlässigkeit und Sicherheit kein Kompromiss im Bereich der Geschwindigkeit gemacht werden.

Im gesamten Projekt wurde konsequent auf Open-Source Software und offene Standards gesetzt. Zukünftige Forschungs- und Industrieprojekte können dadurch nahtlos an diese Ergebnisse anknüpfen.

Sie haben Interesse an smarten vernetzten Kabinen? Dann teilen Sie uns Ihre Meinung mit und rufen Sie uns an:

Data & Power Networks
Dr. Leonid Lichtenstein
Head of Data & Power Networks
+49 40 248 595 143

Lesen Sie auch hier:

Verknüpft, verbunden, vernetzt – Neues vom Forschungsprojekt DELIA

InDiKa und der ZAL Endpoint – viel Digitalisierung auf kleinerster Fläche

Time Sensitive Networking oder wer hat Vorfahrt auf der Datenautobahn?

 

DELIA Projektpartner:

ZAL GmbH
AED Engineering GmbH
Solectrix GmbH
Universität Stuttgart
Universität Hamburg
Airbus Operations GmbH
Tyco Electronics Raychem GmbH