Die Luftfahrtindustrie setzt verstärkt auf Automatisierung und Fertigungsroboter, um der Ratenerhöhung in der Produktion sowie dem Fachkräftemangel zu begegnen. Im Gegensatz zur Automobilindustrie sind die Produktionsvolumina in der Flugzeugherstellung vergleichsweise niedrig, weshalb der Aufbau starrer Fertigungsstraßen ineffizient wäre. Das Forschungsprojekt AIARA untersucht daher die Möglichkeit, Fertigungsroboter mit geringem Aufwand in unterschiedlichen Bereichen einzusetzen. KI-basierte Ansätze sollen sie dazu befähigen, sich neue Aufgaben selbstständig anzueignen.
In Sachen Ausdauer und Präzision übertrumpfen Fertigungsroboter ihre menschlichen Kollegen um Längen. Tag für Tag führen sie ihre Aufgaben aus – Schritt für Schritt, ohne zu ermüden. Doch bisher waren sie auf fest programmierte Abläufe angewiesen: Schraube greifen, Schraube einsetzen, Schraube festziehen. Eine Veränderung im Bauteil oder der Schraubenposition erforderte manuelle Neuprogrammierung.
KI-basierte Ansätze wie das ‚Deep Reinforcement Learning‘ eröffnen mittlerweile neue Wege. ZAL Entwicklungsingenieur Stephan Rediske erklärt die neue Methode: „Statt starren Anweisungen zu folgen, kann der Roboter künftig seine Aufgabe ‚verstehen‘ und eigenständig die beste Lösung finden. Durch kontinuierliches Ausprobieren erlernt der Roboter, welche Bewegungen ihn seinem Ziel näherbringen. Erfolgreiche Schritte werden von uns virtuell belohnt“.
Anwendungsfall: 24h Dauerbetrieb im 3D-Drucklabor
Im Rahmen des Projekts AIARA wurde ein praxisnaher Anwendungsfall aus dem Bereich des 3D-Drucks untersucht. 3D-Drucker spielen eine bedeutende Rolle in der Luftfahrtforschung, insbesondere beim Prototypenbau, und könnten zukünftig auch für eine individuellere Gestaltung der Flugzeugkabinen sorgen (siehe Projekt LiBio)
Aktuell können sogenannte Desktop-3D-Drucker zwar rund um die Uhr Teile fertigen, erfordern jedoch nach Abschluss des Druckvorgangs einen menschlichen Bediener, der das fertige Werkstück von der Druckplatte entfernt. Insbesondere nachts ist dies meist nicht möglich. Um einen kontinuierlichen 24-Stunden-Betrieb zu gewährleisten, könnte ein Roboter sich automatisch zwischen den Druckern hin- und herbewegen, die Tür des Druckers öffnen und das fertige Werkstück entnehmen. Ein autonomerer Roboter bietet hier den Vorteil, dass die Produktion flexibel bleibt und jederzeit erweitert oder umgestaltet werden kann. Selbst bei einer Verschiebung eines Druckers kann der Roboter durch Sensoren die neue Position des Türknopfes erkennen und seine Aufgabe ausführen.
Virtuelles Klassenzimmer
Seine neue Aufgabe lernt der Roboter aber nicht in der echten Welt, sondern in einer virtuellen Trainingsumgebung (Gazebo von Open Robotics). Dies garantiert nicht nur Sicherheit und volle Kontrolle aller Einflüsse, sondern ermöglicht auch die gleichzeitige Simulation vieler verschiedener Trainingsvarianten parallel. Sein virtuelles Klassenzimmer ist dabei ein digitaler Zwilling des realen AIARA-Demonstrators: Über eine Kamera sieht er das Drucker-Mockup und versucht seinen Greifarm zum Türknauf zu führen. Sein „Lehrer“ ist eine sogenannte Belohnungsfunktion. Kommt er mit den Spitzen seines Greifarms in die Nähe des Knaufs, wird dieser Weg als erfolgreich gewertet. Ist er zu weit weg oder kollidiert mit der Druckerzelle, ist er gescheitert. Dabei werden auch die Trägheit und das Gewicht der Materialien berechnet, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auf die Realität übertragbar sind. Im Demonstratoraufbau konnte so die virtuelle und die reelle Testumgebung erfolgreich synchronisiert werden.
Zukünftig Roboter per Sprachbefehl steuern?
Dass autonomeren Robotern ein großer Stellenwert beigemessen wird, zeigen auch andere spektakuläre Veröffentlichungen: Der Hersteller Figure präsentierte im Frühjahr 2024 einen humanoiden Roboter, der komplexe Aufgabenstellungen mittels Spracherkennung verstehen und ad hoc lösen konnte. Eine Zusammenarbeit mit BMW steht bevor, in der er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen wird. Wie sich autonome Roboter in einer realen Produktionsumgebung behaupten, bleibt abzuwarten. Projekte wie AIARA zeigen jedoch, dass Fertigungszenarien sehr gut in einer Simulationsumgebung abgebildet werden können, ohne dass Hochleistungshardware erforderlich ist. Es gibt noch viele offene Fragen im Bereich Zuverlässigkeit und Sicherheit, aber zweifellos werden Robotik und KI eine Schlüsselrolle in der Luftfahrtindustrie für die Fertigung von morgen spielen.
Sie haben Interesse an Fertigungssimulationen und KI oder haben Fragen zum Projekt AIARA? Dann teilen Sie uns Ihre Meinung mit und rufen Sie uns an:
Projektpartner:
- Broetje-Automation GmbH (Rastede, Deutschland)
- DLR ZLP, Augsburg
- Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
- Kinova
- University of British Columbia