Kabinengeräusche sind ein komplexes Thema und jedem bekannt, der schon einmal geflogen ist. Sei es die nuschelige Stimme der Kapitänsdurchsagen, singende Party-Reisende in der Hinterreihe oder Geräusche von Bordküche und Klotür. Überlagert wird der ohnehin schon bunte Klangteppich vom lauten Dröhnen der Triebwerke. Wir haben ZAL-Akustikexperte Dr. Patrick Cordes gefragt, wie Flugzeugkabinen leiser werden können. Sein Team entwickelt ein digitales Simulationstool, das Schwachstellen in der akustischen Dämpfung findet, noch bevor die Kabine gebaut wird.
Wie sieht die Zukunft der Kabinenakustik aus?
Cordes: Die Zukunft der Kabinenakustik liegt in der Simulation. Eine gute Akustik während des Flugzeugbetriebs ist das Ergebnis einer langen Kette von Maßnahmen, angefangen bei der Kabinenverkleidung bis hin zur angepassten Sitzhalterung. Lärm kann über viele Schallpfade in die Kabine eindringen. Diese Komplexität kann zunehmend in Simulationen abgebildet werden und verringert so das Risiko, dass Probleme erst in Flugtests erkannt werden. Mit verbesserter Vorhersagbarkeit können wir nun übersehene Schallpfade vorab identifizieren und hierdurch Tests und damit verbundene Kosten reduzieren.
Für individuelle Kabinendesigns, z.B. bei VIP-Kabinen, ist die Situation noch herausfordernder. Weil diese Kabinen oft nur ein einziges Mal gebaut werden, sind umfangreiche Akustiktests für Losgröße 1 zu aufwendig und kostspielig. Da ist es wichtig, die Kabinenakustik möglichst gut vorherzusagen. Denn wenn die Kabine erst einmal gebaut aber akustisch nicht optimal ausgelegt ist, sind Möglichkeiten zur Verbesserung begrenzt. Zusätzliches Dämpfungsmaterial kann zwar in manchen Fällen eine Lösung sein, führt allerdings auch zu mehr Gewicht.
Hier kann unserer Simulation helfen, eine akustische Punktlandung hinzulegen, wie auch ein aktuelles Forschungsprojekt zur Vorhersagbarkeit geräuschdämpfender Maßnahmen in VIP-Kabinen belegt (vgl. Forschungsprojekt Entirety, ZAL GmbH in Kollaboration mit der Lufthansa Technik und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg).
Worin liegt die besondere Herausforderung?
Cordes: Kabinenentwicklung steht niemals still. Beispielsweise wird aktuell der Einsatz neuer nachhaltigerer Materialien erforscht. Auch 3D-Druck ermöglicht ganz neue Leichtbauteile. Das wirkt sich natürlich auch auf die Akustik aus. Kurz: Unsere Simulations-Modelle müssen maximal flexibel bleiben, weil wir gar nicht wissen, welche Innovationen noch kommen.
Es ist daher unser Ziel, dass unsere Simulation für jedes beliebige Kabinensetup anwendbar ist. Wir wollen genau bestimmen, wie Lärm in die Kabine kommt und welche Gegenmaßnahmen helfen.
Gerade in der VIP-Kabine gibt es auch außergewöhnliche Interior-Designs und besondere Materialien. Wie lässt sich diese Komplexität der realen Welt in einer akustischen Simulation nachbilden?
Cordes: Vereinfacht gesagt gehen wir vom Kleinen ins Große. Hierbei gehen zunächst Simulation und Experiment Hand in Hand. Es werden erst Materialproben untersucht und simuliert, dann ganze Komponenten oder Aufbauten wie eine Seitenwand. Auf der Basis dieser Ergebnisse lässt sich dann ein Ausschnitt der kompletten Flugzeugkabine abbilden. Der Schlüssel ist, dass wir dies immer durch reale Tests in den Akustiklaboren im ZAL ergänzen. Jedes Teil gibt es also sowohl “real” als auch als digitalen Zwilling. So können wir die Genauigkeit der Simulation im Kleinen nachweisen und die Flexibilität des Simulationstools im Großen voll ausschöpfen, ohne auf Experimente angewiesen zu sein. Dieser Ansatz kann somit einen gesamten Entwicklungszyklus begleiten und im Idealfall die Kosten und Aufwand reduzieren, da nur wenige Tests notwendig sind.
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